A-LIVENESS. Selina Glockner
Mein Name ist Selina Glockner, ich bin freischaffende Tänzerin, Choreografin, Tanzvermittlerin wie auch Produktionsleitung für Tanz und seit 2019 Teil der künstlerischen Co-Leitung des Künstler:innen-Netzwerks systemrhizoma (www.systemrhizoma.com). DIS-TANZ-SOLO ermöglichte mir, das Rechercheprojekt A-LIVENESS umzusetzen, das im Kontext zukünftiger Performances steht. Mein Fokus liegt dabei auf choreo-cinematischen Konstellationen von Tanz und Film. Dabei konzentriere ich mich auf die künstlerische Fusion von Tanz und Film und weniger auf die Archivierung/Dokumentation von Tanz durch Film. Beide Kunstformen arbeiten mit und in kontinuierlicher Bewegung. Diese Gemeinsamkeit ist für mich eine faszinierende und ergiebige choreografische Schnittstelle.
A-LIVENESS knüpft an das intermediale Forschungs- und Videotanzprojekt IN.FLUENCE an, in dem die Simultaneität von Körper und Körperbild durch Actionkameras und Livestreamtechnik auf die Bühne gebracht wurde.
In A-LIVENESS beschäftigte ich mich gezielt mit dem Konzept eines digitalen Tänzer:innenkörpers und seinem* Potential, materielle Grenzen zu überwinden und damit etwaige Erwartungen an einen „Look“ zu irritieren.
Dieser inhaltliche Fokus liegt zum einen in einem queerfeministischen Ansatz begründet, der, aus der Erfahrung der eigenen professionellen Tanzkarriere heraus, die Ideale und Erwartungen kritisch befragt, mit denen Tänzer:innenkörper in der Ausbildung wie auch auf der Bühne konfrontiert sind. Zum anderen in der gesellschaftlich höchst relevanten Frage, wo der menschliche Körper mit seiner* Liveness aufhört und seine* technische Reproduktion z.B. in Form eines Abbilds beginnt. Seit 2020 fand ein Großteil sozialer Interaktion im Internet statt, Videobilder schrieben sich als Repräsentation von Körpern in unsere Sehgewohnheiten ein.
In praktischen Versuchsaufbauten wurden in A-LIVENESS unterschiedliche Formen des MotionCapturing und damit einhergehende (digitale) Erscheinungsformen des Körpers in Bewegung untersucht. Dabei war in der Beobachtung der digitalen Körper- und Bewegungserscheinung von besonderem Interesse, an welchem Punkt die „realitätsnahe“ Imitation/Abbildung des Körpers gestört wurde. Es wurde ein enormes choreografisches Potential in sog. „Errors“ und „Glitches“ erkannt: Sie brachten Bewegung in einen vorhersehbaren Ablauf und überraschten durch unkontrollierbare Erscheinungen, indem sie den Prozess störten, blockierten, aber auch einen Impuls für eine neue Art des Verlaufs setzten. Die Unvorhersehbarkeit und Unkontrollierbarkeit des Resultats barg das enorme Potential, Interferenzen sichtbar machen zu können und damit nicht (nur) auf etablierte Kategorien und Definitionen zurückzugreifen, innerhalb derer ein Körper abgebildet und gelesen werden kann.
„Glitched bodies pose a very real threat to social order: encrypted and unreadable within a strictly gendered worldview, they resist normative programming“ (Russell Legacy, Glitch Feminism, S. 85).
Im weiteren Verlauf wurden daraufhin Prinzipien des „Data-Bending“ und „Glitch-Art“ als choreografisches Tool ausprobiert, um die Grenze zu erkunden, entlang derer sich Dinge nicht mehr vorhersehbar verhalten und Erwartungen entsprechend funktionieren. Hier ein Einblick in das erste exportierte und vielversprechende Datenmaterial: