„REAL GAMES“ – Verbindung der digitalen Gaming-Welt mit Tanz. Magali Sander Fett
Mit meinem DIS-TANZ-SOLO-Projekt wollte ich durch die Expertise meines 12-jährigen Sohnes in die digitale Gaming-Welt eintauchen, sie untersuchen und eine neue Dimension von Leben in dieser und die Möglichkeit der Kunst in ihr erfahren.
Digital denken, fühlen und „leben“ ist anders als analog, alles bewegt sie sich viel schneller, der Raum ist unendlich. Als Avatar kriegt man Überkräfte, die im Realen nicht möglich sind. Zusammen haben wir uns entschieden, dass die Spiele Roblox und Minecraft am besten für diese Arbeit geeignet sind. Es sind Spiele, in denen man eine Persönlichkeit annehmen kann und selbst Dinge kreieren und bauen kann.
Durch das zusammen Spielen haben wir die klassischen Rollen von Mutter, die was beibringt, und Sohn, der was lernt/zuhört, getauscht. Mein Sohn ist der Experte und er sollte mich in die Gaming-Welt einführen. Der Fokus lag auf dem Austausch und der Kommunikation. Es gab eine Brücke zwischen zwei Generationen. Um meinen realen Körper auszudrücken habe ich einen Avatar bekommen. Ich merkte, dass ich viel üben musste, um näher an das Spiel-Level meines Sohnes heran zu kommen. Ich stelle den Vergleich mit einer Tanztechnik auf, die auch erst natürlich und leicht aussieht durch volle Beherrschung.
Auch als Avatar habe ich sofort Lust, Tanzbewegungen auszuprobieren. Wie zum Beispiel Drehungen, Sprünge, auf die Knie gehen, mit dem Kopf, den Armen oder Beinen isolierte Muster zu gestalten. Auch zusammen mit der Musik-Komposition ergeben sich für mich interessante digitale Bewegungen. Ein zentraler Unterschied beim Gaming ist das Gewinnen. Er übt seine „moves“ und improvisiert dann damit. Die Handlung ist im Groben immer dieselbe. Bei der Choreografin ist ein Stück zu entwickeln. Sie hat ein Thema, reflektiert, provoziert oder erzählt durch die Bewegungen eine bestimmte Handlung. Gemeinsam spielen wir mit der Kreativität. Der Gamer, besonders bei Minecraft, ist Kreateur und Kreatur zugleich. Die Choreografin kreiert auch eine eigene Welt, durch einen Kontext bzw. Inhalt, ein Thema, ein Bühnenbild und Bühnenelemente.
In der „realen Welt“ haben wir im Studio weitergearbeitet. Es ist eine Liste von typischen Bewegungen des Avatars in Minecraft und Roblox entstanden. Wir haben zusammen die Bewegungen im Realen einstudiert und für unsere eigene Anatomie übersetzt. Es wurde dann auch weiter komplexer und klarer gearbeitet. Es kam die Wahrnehmung von Richtungen im Raum, Ebenen, Geschwindigkeiten und Dynamiken auf. Mein Sohn hat sich für die Ausdrucksform der Bewegungen seines Avatar interessiert. Für ihn stellte sich die Frage, welche Formen er annehmen muss, um das Richtige bzw. die authentische Bewegung des Avatars auszudrücken. Seine Körpersprache hat damit ein neues Vokabular bekommen, ein künstlerisches, das nicht zu seinen Alltagsbewegungen gehörte. In Kombination mit der Situation des leeren Tanzstudios, der Musik und der Choreografie haben seine Bewegungen an Abstraktion gewonnen.
Um die digitale und analoge Welt weiter zu verbinden haben unsere Avatars die reale Choreografie virtuell einstudiert, damit wir im Studio beides zusammen verbinden und tanzen konnten. Eine Dokumentation in Form von einer Video-Collage ist entstanden.