NOUVELLE ROUTINE. Alice Gartenschläger
Als ich diesen kleinen Film machte, kam ich als fast fünfzigjährige Tänzerin gerade aus der Reha, mit der Diagnose eines doppelten Bandscheibenvorfalls. Mein Bewegungsradius hatte sich extrem reduziert. Aufgrunddessen versuchte ich neue Räume zu erkunden, in denen mein körperlicher Ausdruck im Alltag einen neuen Platz findet. Es entstand „nouvelle routine“, ein kleines black-and-white Video-Tagebuch. Schauplatz dieser fragmentarischen Versuchsanordnung ist meine Küche. Es ist eine Sammlung von zusammengeschnittenen Sequenzen, von kurzen Handlungen, die sehr instinktiv und authentisch entstanden sind. Die Intimität der Küche gab meinen Ideen über sieben Monate hinweg einen hervorragenden Rahmen.
Ursprünglich war der Gedanke, eine Verlängerung des reduzierten Körpers zu untersuchen, indem ich Objekte als Hilfsmittel hinzuziehe. Dabei sollte die Schnittstelle untersucht werden. Währenddessen habe ich schnell gemerkt, dass der Begriff von Extension, Schnittstelle, Körper und Objekt unterschiedliche Ebenen begreifen kann. Mich hat mit der Zeit weniger die rein körperlichen, tänzerischen, bewegungsmäßigen Abläufe in der Begegnung mit dem Objekt interessiert und dessen Animationsprozess im klassischen Sinne des Objekttheaters, sondern vielmehr: was provoziert dieses Objekt in mir, wie animiert es mich, welche Fantasie entwickle ich dazu und wie sieht die Ausarbeitung einer kleinen Szene aus? Wie spiegelt sich mein Gedanke im Körper und wie lässt sich diese Aussage in das Objekt transferieren? Dabei geht es um Identifikation und Abstraktion.
Es war mir wichtig den Prozess lebendig und authentisch zu halten, das Leben in der Küche mit all seinen Geschehnissen mit einfließen zu lassen. Daraus entstand die Idee, meine Familienmitglieder auftauchen zu lassen, den Personenradius zu erweitern, ohne Kommentar, nur als Präsenz, als Extension, als Potenzierung oder Vervielfachung, same but different. Ich habe damit gekämpft, das Konzept nicht zu verlassen, was inhaltlich den Kampf mit der Routine wiederspiegelte. Es war notwendig für mich alleine zu arbeiten, um zu untersuchen, was mich überhaupt noch interessiert und wie ich Tanz für mich heute übersetze. Im Laufe der Zeit habe ich dann unterschiedliche Aspekte entdeckt, die mir Spaß gemacht haben, wie die Tatsache meinen veränderten Körper anders einzusetzen, Texte zu sprechen, die Handlung eher anzudeuten, nicht auszuformulieren, zwischen den Zeilen zu bleiben, Assoziationsketten anzustoßen, lustig zu sein und die Entdeckung vom Medium Film. Zudem finde ich das Format fantastisch, nicht in das übliche Korsett von sechs Wochen Probenzeit eingeschnürt zu werden, sondern die Gelegenheit bekommen zu haben, sieben Monate lang in eine Recherchezeit eintauchen zu können. Vielen Dank dafür!