RECHERCHE. Esther Geyer, Clara Gracia, Anna Vilhelmiina Peltola

Bei unserer Recherche zur Entwicklung einer Stelzen-Tanz-Methode konnten wir unsere Projektziele wie geplant erreichen. Der Schwerpunkt unserer Recherche lag auf dem praktischen Teil: Tanz auf Stelzen.

In der 1. Phase haben wir uns auf das gemeinsame physische Stelzen- und Tanztraining fokussiert. Parallel dazu haben wir theoretisch recherchiert und bereits existierende Stelzen-Tanz-Gruppen nachgeforscht  sowie  inspirierende Artikel  und Videos  gesammelt.  Zur  Festhaltung  des theoretischen/digitalen Inhalts haben wir Padlet, ein Online Pinboard, als Archiv genutzt.

Im praktischen Training haben wir seit Beginn unserer Recherche mit Fluentbody – eine von Florencia Lamarca entwickelte Methode, die Bewegung und Somatik kombiniert, um (Körper-)Bewusstheit und embodiment zu stärken – zunächst nur am Boden und dann sehr schnell auf Stelzen angewendet. Fluentbody ist eine Art bewegte Meditation, die mittels inspirierender Bilder, Musik, Atmung und Stimme zu einer physischen sowie emotionalen Reise einlädt: sich durch Bewegung(en) (hindurch)fühlen und sich durch Gefühle (hindurch-)bewegen. Da es hauptsächlich auf Spüren und Körperbewusstheit abzielt und dabei sehr frei in der Bewegungsform ist, war es sehr bereichernd, diese Methode – etwas angepasst – auf Stelzen zu erproben, um unser Körperbewusstsein und Gespür bis in die angeschnallten Stelzen hinein zu erweitern. Eines der Hauptbilder bei Fluentbody ist „floating“, welches sich sehr bewährt hat, um auf den hölzernen Beinen Weichheit und Leichtigkeit zu entwickeln – Qualitäten, die auf Stelzen nicht unbedingt gegeben sind. Ein weiterer Aspekt, der in Fluentbody sehr präsent ist, ist die Bewusstmachung von Zusammenhängen zwischen dem Körper in Bewegung und der alltäglichen (Gefühls-)Welt. Beispielsweise haben wir viel mit dem physischen Abstand zwischen uns gespielt und beobachtet, wie uns das körperlich und emotional beeinflusst. Dies hat uns wiederum in Bezug zur Arbeit an unserem Thema inspiriert und uns ermöglicht mit Emotionen verknüpftes Bewegungsmaterial für das Stück zu entwickeln.

In der 2. Phase haben wir unser Training weiterentwickelt und dabei hauptsächlich mit Improvisation gearbeitet. Dazu haben wir uns neben Fluentbody vor allem der Viewpoints-Methode von Mary Overlie und Anne Bogart bedient. Dies war für das Übertragen von choreografischen Elementen vom Boden auf Stelzen sehr spannend. Dabei haben sich in Bezug auf Raum, Zeit und Form zentrale Einsichten ergeben:

  • Raum: Die Möglichkeiten sind auf Stelzen und am Boden sehr ähnlich. Auf Stelzen jedoch ist die Nutzung von verschiedenen Ebenen (hoch, mittel, tief) mit Schwierigkeiten verbunden. So ist es zwar immer möglich, auf den Boden zu gelangen, doch braucht man stets externe Hilfe (einer Person oder eines Objekts), um wieder hochzukommen.
  • Zeit: Bestimmte Geschwindigkeiten sind schwierig zu halten. Kontinuierliche Zeitlupe (im ganzen Körper) ist quasi unmöglich und auch dauerhaft sehr schnelle Bewegungen sind nur begrenzt möglich. Allerdings erlaubt das ständige In-Bewegung-bleiben der Beine (um das Gleichgewicht zu halten) die Arbeit mit Isolierung – oder verschiedenen Tempi – zwischen dem Oberkörper und den Stelzen-Beinen. Anhaltende Stopps sind nur mit Kontakt (zwischen uns oder mit vorhandenen Objekten: Wände, Bäume…) möglich.
  • Form: Die Möglichkeiten auf Stelzen sind denen am Boden recht ähnlich, jedoch ist auch hier körperlicher Kontakt nützlich, um mehr Vielfalt und längere Ausdauer zu ermöglichen.

Diese Erfahrungen haben wir in der Anwendung von Contact-Impro vertieft. Der Körperkontakt hat uns zuweilen mehr Freiheit und neue Spielmöglichkeiten eröffnet, in dem es mehr Balance, andere Formen und Tempi (wie Slow-motion) ermöglicht. Das Spielen mit Körperkontakt haben wir auch hinsichtlich unserer thematischen Anliegen bewusst genutzt.
Wir haben auch Stelzen in verschiedener Höhe ausprobiert und festgestellt, dass 50-70cm am besten für unser Vorhaben geeignet ist. Diese Höhe lässt deutlich mehr Bewegungsmöglichkeiten als längere Stelzen zu und erlaubt, unterschiedliche Geschwindigkeiten und Bewegungsqualitäten sicher und präzise auszuüben.

In der 3. Phase unserer Recherche haben wir verschiedene choreographische Elemente ausprobiert, die aus der Improvisation und der ortsspezifischen Arbeit entstanden sind. Dabei haben wir eine starke Basis für unser Stelzen-Tanz-Stück erarbeitet.

Wir haben oberkörperbetonte Choreografien entwickelt und ausprobiert, wie sie sich durch unterschiedliches rhythmisches Tippeln der Beine verändern. Die Themen Abstand, Social Distancing und Personal Space waren für uns alle sehr präsent und erfahrbar. Durch unsere unterschiedlichen soziokulturellen Hintergründe (Spanien, Finnland, Deutschland) konnten wir viele interessante Aspekte in die choreographische Recherche einfließen lassen.

Auf Basis der drei genannten Methoden (Fluentbody, Viewpoints, Contact-Impro) haben wir die Grundsteine für eine neue Stelzen-Tanz-Methode entwickelt um Themen wie Gefühle oder zwischenmenschliche Beziehungen tänzerisch auf Stelzen darzustellen. Wir möchten unsere Methode weiter ausarbeiten, insbesondere mit der Einbettung von Floorwork. Außerdem wollen wir uns weiterhin mit den gesellschaftlichen Themen Abstand, Social Distancing und Personal Space auseinandersetzen und im Frühjahr 2022 unser erstes Stelzen-Tanz-Stück umsetzen. Dafür haben wir bereits Videomaterial gedreht, um einen ersten Teaser zu erstellen.

Bei unserem Outdoor-Training in öffentlichen Parks haben wir festgestellt, dass es ein großes potentielles Publikum für Stelzen-Tanz gibt. Viele Passanten blieben stehen und zeigten großes Interesse. Damit hat unser Projekt bewiesen, dass es trotz Pandemie möglich ist, Tanz und Theater im öffentlichen Raum zu schaffen und neues Publikum zu erreichen.


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