Talking Together – On Air. Sonja Augart

“Talking Together – On Air” basiert auf einem bestehenden künstlerischen Vermittlungsformat, bei dem das Publikum in einem physischen Raum in Austausch kommt.
Erforscht wurde, ob das Format auch in einer digitalen Form funktionieren kann, und welche neuen Aspekte sich daraus für die Tanzvermittlung (in Zeiten vor und nach Corona) ergeben. In meiner bisherigen Arbeitspraxis habe ich dem Aspekt des rein konsumierenden Betrachtens von Kunst und Performance wenig Interesse geschenkt.
Auf verschiedenen Ebenen und in unterschiedlichen Medien suche ich einen Bezug zwischen Kunstwerk und Publikum herzustellen. Der physische Raum, in dem der Körper und gleichzeitig der „Geist“ anwesend sind, war bisher immer die feste und verlässliche Komponente. Seit Corona wird dieser physische Raum zu einem Risiko mit ungeahnten Folgen.
Mein Name ist Sonja Augart und ich bin Choreografin, Dramaturgin und Feldenkrais Practitioner. In meiner Arbeit steht eine basale Frage im Zentrum, nämlich die, wie es möglich ist, Dinge in einem anderen Licht zu sehen, unsere eigene Erfahrungswelt zu erweitern und in den Austausch mit Anderen zu kommen. Die gravierenden Veränderungen der Umstände waren nicht nur Corona, sondern auch meine Mutterschaft. Im „Homeoffice“ zu arbeiten mit einem Kleinkind, das das Konzept „Arbeit“ nicht versteht. Eine Mutter, die in eine Maschine starrt und mit dieser manchmal sogar redet. Es war und ist eine Herausforderung. Frei zu schaffen mit einem Kleinkind ist eine Extremsituation, da nicht nur die finanziellen, sondern auch vor allem auch die Zeitkapazitäten sich verknappen. Ich habe viel jongliert und bin eine Zeitjongliererin geworden.
Trotz alledem habe ich in den letzten vier Monaten untersucht, welche technischen Möglichkeiten es für digitale Austauschformate gibt. Dabei bin ich auf eine Vielzahl von Anwendungen und (Videokonferenz-) Tools gestoßen, die alle auf unterschiedlichsten Ebenen Vor- und Nachteile aufweisen. U.a. waren dies Jitsu Meet, mmhmm, spatial.chat, Zoom, Microsoft Teams, trember und wonder.me.

Diese unterscheiden sich wesentlich darin:
a) wie viele Personen teilnehmen können,
b) in ihren Funktionen: eigene Bilder hochladen bzw. virtuelle Räume gestalten,
Videolinks teilen, Lautsprecher und Breakout rooms etc.,
c) ob sie gratis sind oder ein monatlicher Beitrag gefordert wird oder
d) ob sie eine Avatar Funktion haben und 3D-Modelle zulassen.

Ich habe mich für die kostenlosen Varianten entschieden und für die Formate, die meiner Erfahrung und Kenntnis nach zugänglicher sind für die Teilnehmenden. Es musste berücksichtigt werden, dass nicht jede*r sich schnell und einfach in einem neuen Tool zurecht findet, und nicht jedes Computersystem über die entsprechende Funktionalität bzw. Netzwerkkapazität verfügt. Ein weiterer Aspekt war mir wichtig, nämlich der, dass die Tools DSGVO-konform (Datenschutzgrundverordnung seit 2018) sind, und die General Data Protection Regulation der EU- Datenschutzgrundverordnung 2016/679 eingehalten werden.
Durch die Vielzahl der Anbieter und deren kontinuierliche Anpassung der Tools war und ist es eine Herausforderung, den „learning by doing“ Modus nicht auf zu geben. Mit Trember wurde ein Testdurchlauf gemacht, und weitere mit Wonder und spatail.chat sind in Vorbereitung. Das Ergebnis ist, dass sich Dialogformate wie z.B. “Talking Together” gut eignen, um in ein digitales Vermittlungsformat zu transformieren.


Die Ergebnisse meine Forschung werden jetzt in weiteren Testläufen spezifiziert und ausgearbeitet. Die Frage, wie öffentlich diese digitalen Räume sind, und was für eine Dramaturgie erforderlich ist, werde ich mit den geplanten Testdurchläufen vertiefen.
Eine Herausforderung bleibt: wie gehen wir mit der Sehnsucht nach dem „echten“ gemeinsamen Erfahren und Austauschen versus der digitalen biologischen körperlosen Welt um? Aus Gesprächen mit unterschiedlichsten Beteiligten und Playern des Tanzfeldes sowie mit Jugendlichen bleibt eine große Skepsis gegenüber Vermittlungsformaten, die im digitalen Raum stattfinden.
Welche Auswirkungen wird dies für die weitere Entwicklung des Formates haben? In meiner bereits bewilligten Neuanfrage „Talking Together- On Air – Extended Version“ für DIS-TANZEN-SOLO habe ich vor, mich damit auseinander zu setzen.


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