COMPOST COMPOSING. Magdalena Weniger

Ich bin Magdalena Weniger, Tanzschaffende zwischen Dresden und Freiburg. Meine Arbeit ist interdisziplinär, die (Gesangs-) Stimme ist wesentlich für meine künstlerische Arbeit als Choreografin. Ziel meiner Dis-Tanz Solo Förderung war, aktuelle und relevante theoretischen Diskurse zu vertiefen, meine Arbeit zu reflektieren und mein künstlerisches Selbstverständnis weiterzuentwickeln. Es hat gut getan, mehr Zeit für Reflexion und Lektüre zu haben, um meine Arbeitsinhalte nachhaltig zu stärken und mein Profil zu schärfen. Es ist eine wichtige Grundlagenarbeit, die langfristig in der künstlerischen Qualität Ausdruck finden wird. Das Stipendium hat die nachfolgende Arbeit COMPOST COMPOSING in verschiedenster Weise inspiriert und fundiert.

Wir bewegen uns alle in einem Feld, kein exponierter Bühnenraum, kein stilles Publikum, im Kreis auf der Wiese hinter dem Festspielhaus finden wir uns zusammen für COMPOST COMPOSING. Dies ist der dritte und letzte Teil des botanischen Arbeitszyklus der Künstler:innengruppe KOMA&Ko, die kooperative Projekte zwischen Dresden und Freiburg realisieren und unter der künstlerischen Leitung von Magdalena Weniger zusammenkommen.

Die Natur im Kulturgarten Hellerau ist mehr als Kulisse, sie scheint den Rahmen zu geben, ein Stück größer als wir zu sein, und wissender. Tänzerinnen mit unrasierten Beinen, ein fast irritierendes Bild, stellen Fragen nach unseren Wurzeln, nach dem ewigen Kreislauf von Kreistänzen bis Bits – und welchen Stellenwert unser Dasein darin hat. Der Tanz der fünf Performer:innen, die Bewegungen und Worte, das Rauschen der Blätter unter dem Baum, alles zusammen lässt tatsächlich den Hauch einer archaischen Energie zwischen uns allen entstehen, fast ein bisschen zauberhaft.

Den einzelnen Tänzer:innen sind wir fast so nah wie einem Freund beim Spaziergang, wenn wir in Kleingruppen das Festspielhaus umrunden. Ihr persönliches Erfahren von Anfang, Dauer und Ende der Dinge teilen sie uns in Erzählungen mit. Es weckt Erinnerungen an eigenes Erleben von Vergänglichkeit und Wiederkehr, wie wir sie im Alltag erleben- Kompost, Periode, welkende Blumen, um dann wieder da anzukommen, wo wir begonnen haben – auf der Wiese hinter dem Festspielhaus. Von hier aus begleiten uns die Gesänge der mittlerweile aus Sichtweite verschwundenen Performer:innen in das Innere des Gebäudes. Wir ziehen Kopfhörer an und befinden uns nicht mehr im Kreis der Gruppe, vielmehr sind wir nun mit unserem eigenen Wesen konfrontiert, mit Text und Gesangstexturen auf den Ohren, zwischen Videoprojektionen (Raiko Sánchez) und animalisch anmutenden Kreaturen aus Fellbergen mit winzigen Fingern (Theresa Rothe). Vor allem die menschlich anmutenden Augen dieser Wesen sind es, die eigenartig berühren.

Untheatralisch stellt das Stück Fragen an das Menschsein selbst und unseren Ursprung, auch Demut der Natur und ihren Gesetzmäßigkeiten gegenüber, denen wir Nichts entgegen zu setzen haben, werden spürbar. Was ist menschlich, was sind wir- und was ist das Wesen der Kunst in diesen Zeiten des Wandels? „Everything moves in cycles“ und COMPOST COMPOSING nimmt uns mit auf einen Weg, löst Konzepte und bisherige Grenzen zwischen Kunst und Leben ein Stück weit auf, um eine weitere Ebene zu eröffnen. Das ist, was die Kunst braucht, bewegen kann und soll – die Nähe zum Leben, die Auflösung veralteter Strukturen und die Frage an das, was uns in den Tiefen bewegt.

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